Aber als dann im Frühjahr die Kälte nachließ, als die „Wohnung“ soweit fertig war, der „Möbelbunker“ – wie wir unser Möbellager nannten – eingerichtet war und wir es überdies sogar geschafft hatten, unseren Gemeinschaftsraum mittels einer Wand vom Eingang zum Lager abzutrennen, so dass die Kunden nicht mehr durch unser Wohnzimmer hindurch mussten, um zu den Möbeln zu kommen … da fühlten wir uns abends, nach Feierabend und der Arbeitsbesprechung nach dem gemeinsamem Abendessen, manchmal wie Gott in Frankreich.
In diesen Phasen der Ruhe, wenn wir zusammensaßen, uns unser Bier gönnten, stritten und klönten, entstanden die Phantasien einer anderen Zukunft mit vielen Kollektivbetrieben, einer allgemeinen Abkehr von unnötigem Luxus, einer menschlichen Arbeitsweise jenseits von Hierarchie und geklautem Leben.
Das Bild links zeigt den Eingang vom Hof aus. Im Bild oben hat Adu gerade die Eingangstür zu unserem Stockwerk beschriftet (nicht wirklich perfekt, dafür aber international). Der Pleitegeier begrüßte die Besucher im Treppenaufgang – ein bisschen Selbstironie durfte sein.
Einen Modellbetrieb aufbauen!
Hier in Bonames entwickelten wir unsere Vorstellungen von modellhaftem Betriebsaufbau, von der Überführung kapitalistischer Betriebe in die Selbstverwaltung, von autonomen Stadtteilen, in denen wieder gelebt und gearbeitet werden könnte.
Von hier aus zogen wir zu Uni-Teach-Ins und zur 1.Mai-Demo, mit eigenem Selbstbewußtsein: nicht Arbeitslose waren wir mehr, die notgedrungen irgendwas anstellten, um einigermaßen mit Würde am Leben zu bleiben. Sondern Arbeiter, die ihr Schicksal selbst in die Hand genommen hatten und jetzt Schritt für Schritt darangingen, die inneren und äußeren Lebensbedingungen den eigenen Bedürfnissen entsprechend umzugestalten. ASH – das stand nicht mehr für Arbeitslosen-, das stand jetzt stolz für „Arbeiterselbsthilfe“.
Wir hatten es in der Hand, einen Betrieb aufzubauen, der alle die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten nicht braucht, die in „normalen“ Betrieben angeblich notwendig sind. Die Konkurrenz der Kollegen untereinander, das Prestigedenken, die Jagd nach Statussymbolen, die gegenseitige Abgrenzung, überhaupt Lohn – was soll das alles, wenn man gemeinsam arbeitet und aus ein und derselben Kasse lebt? Wozu privates Eigentum, warum nicht einen großen Wäscheschrank für alle? Warum Arbeitsteilung und Trennung von Hand- und Kopfarbeit, mit der doch nichts anderes bewirkt wird als die Spaltung und Hierarchisierung der Gesellschaft? Wozu jedem sein eigenes Auto, wenn man die Freizeit doch eh zusammen verbringt?
Jenseits der Träume: unsere reale Ökonomie
Wir hatten drei LKWs für Umzüge, Transporte und Entrümpelungen. Wir hatten eine Abbeizwanne und angefangen, Möbel zu restaurieren. Wir hatten unseren ‚Flohmarkt‘ zum Verkauf von Möbeln und Trödel. Wir hatten eine Autowerkstatt für die Wartung unserer ‚Flotte‘. Wir hatten einen Bürodienst für die Verwaltung und Auftragsannahme. Und wir hatten einen Gemeinschaftsdienst mit der Aufgabe, das Frühstück vorzubereiten, alle zu wecken, die Räume sauber zu halten und das gemeinsame Abendessen vorzubereiten.
Wir waren mit 21 Gruppenmitgliedern an der (räumlichen) Kapazitätsgrenze. Keine/r bekam Lohn, alle versorgten sich nach Bedarf aus der Gemeinschaftskasse.
Die Organisation der Arbeit für den nächsten Tag erfolgte in einer Diskussion nach dem Abendessen. Das Prinzip: Es gibt keinen Chef – jede/r macht jede Arbeit. Die Einteiligung ist – möglichst – freiwillig und soll – möglichst – rotierend alle Dienste umfassen.