Das Flüchtlingsprojekt
Die frühen 90er Jahre waren die Zeit der ersten großen Flüchtlingswelle, verursacht durch die Balkankriege, Konflikte zwischen Eritrea und Äthiopien, Mali und Burkina Faso sowie Bürgerkriege in Burundi, der Republik Kongo, in Senegal und Simbabwe.
Unterkunft für Asylanten …
Schon 1988 baten 100.000 Menschen um Asyl, 1990 waren es schon 190.000, 1992 stieg die Zahl der Zuwanderer auf über 400.000. Für diese Menge Menschen war der benötigte Wohnraum schlicht nicht vorhanden, was zu menschenunwürdigen Unterbringungen in Containern, Turnhallen und sogar Zeltdörfern führte. Sofort waren auch Geschäftemacher dabei, die Situation auszunutzen und in heruntergekommenen Gebäuden und Hotels zu teils horrenden Preisen ‚Wohnraum‘ zur Verfügung zu stellen.
… in der Krebsmühle?
Einerseits hatten wir leerstehende und dazu nutzbare Räume, andererseits empörte uns diese Geschäftemacherei auf dem Rücken der Asylanten.
Mit den von behördlicher Seite gezahlten Tagessätzen – so unsere Überlegung – müsste in der Krebsmühle nicht nur menschenwürdiger Wohnraum geschaffen werden können. Jenseits von Profithascherei müsste bei gleichen Tagessätzen auch die für eine Integration notwendige Betreuung gewährleistet werden können.
Dazu wäre die Krebsmühle mit ihrem hohen Anteil von ausländischen Mitarbeitern und den vielfältigen Möglichkeiten des Geländes geradezu prädestiniert – wenn uns ein gewisser Einfluss auf die Zusammensetzung der hier Wohnenden gestattet würde.
Für die Betreuung hatten wir Volker Morawitz, damals Sprecher des Frankfurter Flüchtlingsrates und engagierter Mitarbeiter bei Pro Asyl, gewinnen können.
Partner wird das Multikulti-Amt in Frankfurt
Nachdem der Hochtaunuskreis unser Angebot abgelehnt hatte, wandten wir uns an das Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt, damals geleitet von Daniel Cohn-Bendit. Unsere Projektidee haben wir am 23.11.1990 in einem ausführlichen Schreiben dargelegt.
Es zeigte sich, wie gut es ist, in solchen Fragen mit einer rot-grünen Stadtverwaltung zu verhandeln. Unser Anliegen wurde an die Grundsatzabteilung des Sozialamtes weitergereicht, dort bearbeitet und – wer hätte solches im Umgang mit Behörden zuvor oder danach jemals erlebt – schon am 17.Januar 1991 positiv beschieden. Im Bewilligungsbescheid wurde uns – wie beantragt für zunächst 20 Personen – ein Tagessatz von 43,31 pro Person zugestanden. Mit dieser Summe (’normalerweise‘ ausreichend gerade mal für die Hotelunterbringung) konnten wir wie versprochen sämtliche Kosten decken und zusätzlich 1,5 Betreuungsstellen finanzieren (das war eine Vollzeitstelle für Volker und eine halbe Stelle für Bine, später Regina). Betreuung bedeutete dabei Unterstützung beim Umgang mit Behörden, Besorgen von Einrichtungsgegenständen, Hilfe bei schulischen Problemen und insgesamt, die Bewohner so weit zu integrieren und fit zu machen, dass sie – möglichst – nach einem Jahr eine eigene Wohnung ‚draußen‘ beziehen konnten. Auch bei der Wohnungssuche wurde entsprechend unterstützt.
Herr Lenski besorgt die Finanzierung …
Garantiert wurde uns eine 95%ige Belegung über die Dauer von 5 Jahren, danach würde man weitersehen. Diese Belegungsgarantie reichte allerdings nicht, um damit bei normalen Banken die Finanzierung des für den Wohnheim-Betrieb notwendigen Ausbaus sicherzustellen. Die Kosten dafür hatten wir mit 550.000 DM veranschlagt.
Unsere Anfragen an ‚die üblichen Verdächtigen‘ (Stiftung Umverteilen und Ökobank) waren – wie schon beim Kindergartenprojekt – ergebnislos geblieben, ebenso unser Versuch, die nötigen Mittel bei privaten Sympathisanten einzusammeln. An dieser Frage drohte das Projekt zu scheitern.
Wieder war es das Wohlwollen der Frankfurter Stadtverwaltung – namentlich das große persönliche Engagement von Herrn Lenski -, das uns aus der Patsche half. Er kümmerte sich nicht nur um eine Ausfallbürgschaft der Stadt Frankfurt für einen solchen Kredit (ein aufwändiges Verfahren, bei dem die gesamte Stadtverordnetenversammlung beschließen und das hessische Innenministerium zusätzlich genehmigen muss), sondern auch um eine Kreditzusage der Hessischen Landesbank (Helaba). Die Kreditzusage hatten wir am 20.6.1991, am 1.7. war das Geld auf unserem Konto (obwohl die Bürgschaft erst im Februar 1992 tatsächlich vorlag). So kann es laufen, wenn bei den Beteiligten wirklich guter Wille vorhanden ist. Herzlichen Dank, Herr Lenski!
… und verschafft uns eine neue Hausbank
Das Flüchtlingsprojekt sollte am 1.4.1991 starten, also musste der Ausbau bis dahin weitestgehend erledigt sein. Den Helaba-Kredit erhielten wir aber erst zum 1.7.91. Notwendig war also eine Zwischenfinanzierung. Wieder war es Herr Lenski, der Rat wusste und den Kontakt zu Rainer Daum herstellte, dem Frankfurter Filialleiter der evangelischen Kreditgenossenschaft e.G. (EKK). Die übernahm die Zwischenfinanzierung und wurde – Wunder über Wunder – im weiteren Verlauf unsere neue (eigentlich überhaupt die erste) Hausbank.
Projektverlauf
Wir konnten tatsächlich wie geplant zum 1.4. mit den ersten 20 Bewohnern starten und das Projekt später in einem weiteren Ausbauschritt auf 32 Personen erweitern. Dafür wurde mit weiteren 400.000 DM das Dachgeschoss des Mühlengebäudes ausgebaut, diesmal direkt durch die EKK finanziert. Einige unserer idealistischen Vorstellungen konnten wir – vor allem wegen der auf ein Jahr begrenzten Wohndauer unser ‚Heimbewohner‘ – nicht realisieren, die wesentlichen Teile (z.B. die vorwiegende Verwendung der Räume für die schwierigste Gruppe: mehrköpfige Familien) funktionierten aber in der Zusammenarbeit mit Frankfurt reibungslos. Dies wurde deutlich schwieriger, nachdem Rot-Grün in Frankfiurt 1995 scheiterte …