Wir begründen die Ökobank
1983 erreichte uns ein Flugblatt von Lothar Witte, einem arbeitslosen Lehrer der Frankfurter Ökoszene. In der Friedensbewegung lief gerade eine Boykottkampagne gegen die Banken, die auch mit den Einlagen der Friedensbewegten Rüstungsvorhaben finanzierten. ‚Entzieht den Banken unser Geld‘ – aber wohin dann damit? Lothar sah den Ausweg: gründen wir doch eine eigene Bank mit ethischen und ökologischen Kreditvergaberichtlinien!
Wir waren sofort begeistert: wenn zu den ethischen und ökologischen Zielen auch noch die Förderung der Selbstverwaltungswirtschaft hinzugefügt werden könnte, wäre diese Bank genau das, was wir brauchten. Wir mussten da unbedingt mitmischen!
Der Verein Freunde und Förderer der Ökobank e.V.
… wurde im Frühjahr 1984 von 16 Enthusiasten in der Krebsmühle gegründet und bezog dort sein Vereinsbüro. Von hier aus wurde zunächst die PR-Arbeit und später (nach dem GO! für die Ökobank auf der Projektemesse) das Einwerben der Einlagen der zukünftigen Ökobank-Genossen gesteuert. Im Büro saß Jutta Gelbrich, selbst ASH-Mitglied. Unser direkter Einfluss auf die weitere Entwicklung war damit gesichert.
Der war auch sehr notwendig, denn die Idee einer Bankgründung war ‚in der Szene‘ zunächst äusserst umstritten.
Akzeptanzprobleme
Es ist ein verbreiteter Reflex bei der linken Basis, alles, was größer gedacht wird, zunächst einmal als bedrohlich zu empfinden. So war auch die Idee der Ökobank für viele zunächst ein bedrohliches Monster („das wird eine zweite BfG“) und wurde deshalb abgelehnt. Dazu kam, dass deren Apologeten (Lehrer, Steuerberater, Buchhändler) in der selbstverwalteten Szene weitgehend unbekannte Größen waren. Und was der Bauer nicht kennt …
Die ASH – als selbstverwaltetes Projekt szeneweit bekannt und geachtet – wurde deshalb zum entscheidenden Bindeglied. In der Zeit zwischen Vereinsgründung und Projektemesse waren wir ständig unterwegs zu allen möglichen Veranstaltungen, um die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Ökobank für den weiteren Aufbau einer selbstverwalteten Wirtschaft zu propagieren.
Unterschiedliche Konzepte und Ansätze
Unterschwellig gab es ’schon immer‘ (seit SDS-Zeiten) einen Wettlauf zwischen Berlin und Frankfurt, wo denn nun das Herz der Bewegung heftiger poche. Der mag unterbewusst in den Diskussionen eine Rolle gespielt haben. In Berlin waren die schon vorhandenen Finanzierungsinstrumente (das Netzwerk Selbsthilfe und die Direktkreditvermittlung der Stattwerke) entstanden. Und da tauchen nun die Frankfurter auf mit ihrer Ökobank-Idee! Da ist doch zumindest Vorsicht angesagt.
In der Tat sind die Konzepte unterschiedlich: sowohl bei der Förderung der Netzwerke als auch bei der Direktkreditvermittlung gibt es einen unmittelbaren (‚menschlichen‘) Kontakt zwischen dem Geld- oder Kreditgeber und dem kreditnehmendem Kollektiv.
Bei einer Bank gibt es diesen persönlichen Kontakt in der Regel nicht. Sparer legen ihr Geld an und vertrauen darauf, dass dieses im gewünschten Sinn verwendet wird. Kredite werden bei der Bank beantragt. Banker prüfen den Antrag auf Sicherheiten (und mögliche Zinserleichterungen gemäß den Förderbedingungen). Ein weitgehend anonymisierter Vorgang, noch dadurch ‚entmenschlicht‘, dass die Bank laut Konzept zunächst ausschließlich in Frankfurt (!) arbeiten soll. Ein wesentlicher Teil der Diskussionen (und Kompromisse) bei der Projektemesse befassten sich daher mit der Frage der Regionalisierung.
Politische Kontakte werden wichtig
Die Kampagne für die Ökobank verlief erfolgreich. Bis März 1986 waren schon 3,6 Millionen der für die Bankgründung erforderlichen 6 Millionen Eigenkapital aufgebracht. Die Ökobank sollte als Genossenschaftsbank gegründet werden – was bei den etablierten Genossen auf alles andere als Begeisterung stieß. Einen guten Artikel von Rudolf Kahlen aus dem Jahr 1987 dazu fanden wir in der ‚Zeit‘.
Während die GRÜNEN der Ökobank-Initiative anfangs ebenfall sehr skeptisch gegenüberstanden, fanden wir bei unseren Kontakten zur SPD (einer Gruppe um Rüdiger Reitz und Hans-Ulrich Klose) mehr als nur Aufgeschlossenheit: Wolfgang Roth, damals wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, wurde zum öffentlichen Unterstützer (und später Aufsichtsratsmitglied der Ökobank). Dies dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, den Widerstand des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken gegen die Aufnahme der Ökobank aufzuweichen und die Bankgründung damit möglich zu machen.
Bankgründung 1988
1988 war es dann so weit: aus der Ökobank i.G. wurde die Ökobank – und die sah mit ihren ersten Bankräumen im Frankfurter Westend exakt so aus, wie wir uns die Bank der Bewegung vorgestellt hatten.
Parkplätze gab es zwar keine, aber wenn man dann mal drin war in der ‚eigenen Bank‘ mit der gemütlichen Kaffee-Ecke und dem freundlichen ‚Du‘ untereinander war das doch ein erhebendes Gefühl von Erfolg.
Nun würde sich unter Beweis stellen, wie dieses neue Finanzinstrument, zusammen mit der Direktkreditvermittlung der Berliner und den Netzwerken, zum weiteren Wachsen der Bewegung beitragen konnte.
Wenig später gab es dann auch Ökobank-EC-Karten. Deren erste ging zufällig an Karl Bergmann, der sich noch genau an die Verblüffung und Verunsicherung erinnert, die das Vorlegen der Karte mit der Nummer 1 und der Kontonummer 43 zum großen Amusement der Anwesenden jedesmal auslöste.
Rückblick 2022
In der Praxis erwies sich leider, dass die Ökobank die Selbstverwaltungsbewegung nicht wie erhofft voranbringen konnte. Von allen Seiten äußerst kritisch beobachtet, tat sie sich im Gegenteil sehr schwer bei der Kreditvergabe an selbstverwaltete Projekte und Betriebe. Von einer größeren Risikobereitschaft konnte nicht die Rede sein, Kreditvergaben waren in der Regel gekoppelt an parallel abzuschließende Kreditausfallversicherungen, was die Kredite erheblich verteuerte. Von der Aufbruchstimmung war bald nicht mehr viel vorhanden.
Genutzt hat die Risikoscheu gegenüber der Selbstverwaltung nicht. Das Ende der Ökobank beschreibt Wikipedia wie folgt:
In den Jahren 1999 und 2000 geriet die Ökobank durch Managementfehler in eine finanzielle Schieflage. Sie hatte zu dieser Zeit ein Bilanzvolumen von 380 Millionen DM und 24.000 Mitglieder. Zur Sanierung wurde das Bankgeschäft zunächst an die Bankaktiengesellschaft (BAG) Hamm ausgegliedert. Nach zweijährigen Verhandlungen wurde dieses Anfang 2003 von der GLS Gemeinschaftsbank eG übernommen. Die abgewerteten Geschäftsanteile der Ökobank wurden in neue Anteile an der Finanzdienstleistungsgenossenschaft OekoGeno eingetragene Genossenschaft umgewandelt.
Ökologische und ethische Banken heute
Das Ende der Ökobank war zum Glück nicht das Ende des Bestrebens, Gelder nach ökologischen und ethischen Kriterien anzulegen. Ganz im Gegenteil hat sich das Spektrum entsprechend orientierter Banken (und damit Anlagemöglichkeiten) seither bedeutend erweitert.
Einen guten Überblick bietet ein Artikel auf Finanzfluss.de aus dem Jahr 2020, zu dem wir hier gerne verlinken.