Das kann doch nicht alles gewesen sein?
Nicht alle Teilnehmer waren glücklich über den Ablauf der Projektemesse ´84. Die TAZ brachte den beklagten Pragmatismus ziemlich gut auf den Punkt. Noch deutlicher wird Hans Mönninghoff vom ‚Umweltzentrum Am Deister‘ in seiner bewusst subjektiven Nachlese.
Für uns war klar gewesen: es reicht mit der Nabelschau, jetzt geht es darum, Strukturen zu schaffen für die Entwicklung einer selbstverwalteten Wirtschaft. So war die Projektemesse angelegt gewesen und in diesem Sinne war sie auch sehr erfolgreich, mit greifbaren Ergebnissen.
Die ASH zu dominant?
Für die Betriebe der ‚Szene‘ waren wir aber wohl (wieder mal) zu weit vorgeprescht. Die Stimmung schlug um: Weitere Projektemessen sollten nicht mehr zentral in der Krebsmühle stattfinden, sondern dezentral in den Regionen. Diese allgemeine Haltung wurde noch verstärkt durch einen Konflikt zwischen ASH und ufaFabrik, dem anderen Großprojekt der Szene. Dessen Ursache liegt im Dunkeln, könnte aber ebenfalls mit Konkurrenzdenken zu tun gehabt haben – jedenfalls herrschte zwischen beiden Kollektiven fortan Funkstille.
Regionale Projektemessen?
Es gab in mehreren Regionen (Bremen, Nordbaden) Versuche, regionale Projektemessen zu initiieren, aber diese Versuche erzielten – wie zu erwarten war – wenig öffentliche Beachtung und wurden meist schon im Vorfeld wieder aufgegeben. Eine tragfähige Infrastruktur wie in der Krebsmühle war einfach nirgendwo sonst vorhanden.
Schleichender Verfall der Bewegung
Während einerseits viele neue Kollektive entstanden, blieben vernetzende Initiativen und Strukturen auf der Strecke. Ende 1986 macht Michael Makowski von den Stattwerken Berlin in einem Editorial zu den BUNTEN SEITEN, der Adressenbeilage von Contraste (die sich später tatsächlich zu einem Adressbuch ausweiten sollte) eine Bestandsaufnahme, die den Zustand der Bewegung treffend beschreibt. 4.000 selbstverwaltete Betriebe macht er darin aus, die entweder vor sich hin wurschteln und hauptsächlich mit sich selbst oder damit beschäftigt sind, sich im Sinne der ‚reinen Lehre‘ voneinander abzugrenzen – von einem Ansatz zu gemeinsamer wirtschaftlicher Stärke kaum noch eine Spur. Auch die ASH kriegte ihr Fett weg und wurde bei Contraste und auch bei Verbands- und Netzwerksitzungen zunehmend als ‚ehemals selbstverwalteter Betrieb‚ bezeichnet (was im Blick der ‚reinen Lehre‘ angesichts der vielen migrantischen Mitarbeiter bei uns, mit denen schon aus sprachlichen Gründen keine tiefschürfenden Diskussionen zu führen waren, auch stimmte – nur war das nicht neu).
Siechtum beim Hessenverband
Die Verbandsgründung hatten wir nur deshalb so zügig durchführen können, weil in den Verhandlungen zwischen SPD und Grünen der ‚Hessentopf‘ (Programm zur Förderung gewerblicher Betriebe auf genossenschaftlicher Basis) anstand und alle die Notwendigkeit eingesehen hatten, sich dazu zu verhalten. Am 21.11.84 erklärten die Grünen die Zusammenarbeit mit der SPD für beendet – das Ding war zumindest vorerst geplatzt. Einen Bericht der Entwicklungen und eine Einschätzung, wie es jetzt weitergehen könnte, veröffentlichten wir im ‚Wandelsblatt‘. Dass es zu den möglichen politischen Schritten nicht kam, zeigt schon zu dieser Zeit, wie wenig politische Kompetenz in der ‚Bewegung‘ eigentlich vorhanden war.
Hatten wir uns etwas vorgemacht?
Natürlich waren wir weiter beteiligt an Treffen des Netzwerk-Projektrats oder bei Verbandssitzungen. Aber das war business as usual und nicht von besonderer Bedeutung. Ansonsten waren wir sehr beschäftigt damit, Wandelsblatt/Contraste ans Laufen zu bringen und uns um unsere betrieblichen Probleme zu kümmern. Vor allem durch die Ökobank-Kampagne waren unsere sonstigen Kräfte so sehr gebunden, dass wir uns um weitere Vernetzungsaktivitäten nicht kümmern konnten. Das würden – dachten wir – die anderen schon richten. So kam es, dass wir die Entwicklung an der Basis (der Betriebe) aus den Augen verloren und uns später wunderten, dass ohne den Motor ASH nicht mehr viel Entwicklung stattfand.
Zu spät für ein ‚Ende der Eiszeit‘
Seminar des TAK AÖ 1988 in der Krebsmühle mit Rolf Schwendter (rechts im Bild)
Bei einem Seminar des TAK AÖ (Theoriearbeitskreis Alternative Ökonomie) der AG SPAK mit Rolf Schwendter 1988 wurde auch der Zustand der Bewegung unter die Lupe genommen. Es entstand die Idee, noch einmal alle Kräfte zusammenzunehmen, den schwelenden Konflikt mit der ufaFabrik zu beenden und dann gemeinsam einen neuen Vernetzungsansatz zu machen. Der Arbeitstitel dazu war ‚Ende der Eiszeit‘.
Nach Adu´s Tod im Juli 1988, dem daraufhin erfolgenden Zerfall der ASH-Kerngruppe und der Lähmung, die uns danach befiel, war daran aber nicht mehr zu denken. Gewaltige finanzielle Probleme traten auf, mit deren Lösung wir bis 1990 zu kämpfen hatten.
Nach dem Fall der Mauer und dem damit einhergehenden triumphalen Sieg des Kapitalismus war dann der Ofen aus: an den Wiederaufbau der selbstverwalteten Bewegung war schon deshalb nicht mehr zu denken, weil auch das Umfeld der linken/alternativen Szene zutiefst verunsichert war und sich in Nichts aufgelöst zu haben schien.