Mühlenausbau und -nutzung
Das Mühlengebäude stand auf unserer Ausbau-Prioritätenliste ganz weit hinten. Es war eine Ruine ohne irgendeine Form von Infrastruktur.
Bis auf die Aussenwände mit den zerbrochenen Fabrikfenstern gab es: Nichts. Keine Treppe oder gar Treppenhaus, keinerlei Elektro- oder Sanitärinstallation – einfach nichts. Dazu der Umstand, dass das Dach über Jahre zu einem Drittel komplett abgedeckt gewesen war, wodurch die darunter liegenden Balken und Bodenbretter unrettbar verfault und durchgemorscht waren. Schon das Drüberlaufen war lebensgefährlich.
Die Warnung eines befreundeten Architekten, dass ein Ausbau mindestens 1 Million DM kosten würde, hatten wir zwar ignoriert, um nicht völlig den Mut zu verlieren. Aber schon an die Reparatur des Dachgebälks und die Neueindeckung – den notwendigen ersten Schritt – konnten wir mit unseren damaligen Fähigkeiten nicht einmal denken.
Auftritt ‚Axt + Kelle‘
Der Zufall (oder wohl eher unser mittlerweile schon verbreiteter Ruf) kam uns zuhilfe. Wandergesellen der Freien Voigtländer Deutschlands waren ebenfalls auf der Suche nach einer Alternative zu den dort bestehenden starren Regeln. Sie planten (und gründeten 1982) einen eigenen Schacht unter dem Namen ‚Axt und Kelle‘. Die wesentlichen Diskussionen der Gründer fanden (lustigerweise immer unter strengster Geheimhaltung) in der Krebsmühle statt, die für längere Zeit deren ‚Hauptquartier‘ und Sammelpunkt wurde.
Rolf Herbart
genialer Zimmermann und damals ‚Kopf‘ von Axt und Kelle, starb leider wenig später nach Motorradunfall.
Das Leitmotiv der Reisenden von Axt und Kelle, sich in sozialen Projekten zu engagieren und dort ohne Lohn, nur gegen Kost und Logis mitzuarbeiten, passte für uns natürlich hervorragend. Es entstand eine win-win-Situation: die Krebsmühle ‚verfügte‘ über viele hochqualifizierte Handwerker, die mit ihrer Arbeit beim Ausbau der Mühle gleichzeitig ihr Quartier mitten in Deutschland aufbauten.
Das war die Chance zur Reparatur des Mühlendaches und der tragenden Balken in den Stockwerken. Der Ausbau der Mühle konnte beginnen.
Mit dem Auswechseln der verfaulten Balken und dem Neueindecken des Dachs (die Schindeln hatten wir uns aus dem Abriss der Bonameser Fabrik geholt) war die Mühle nun erstmal wieder ‚dicht‘.
Im nächsten Schritt wurden die Böden und Decken erneuert, und dann konnte es losgehen mit dem Innenausbau. Es gab ja vorher keine Elektrik, keine Wasserversorgung, keine Toiletten, keine Heizung und auch keine Fenster. Das war enorm viel Arbeit und sehr kostenintensiv, weil das Material komplett neu gekauft werden musste.
Aber immerhin bestand – nachdem die Bodenbretter montiert waren – keine Absturzgefahr mehr.
Ein Treppenhaus muss her!
Ausgebaute Stockwerke zu haben ist schön – man muss sie aber auch erreichen können. In der Mühle gab es nur Leitern, keine Treppen.
Es gab zwar den Anbau an das Mühlengebäude, in dem in früheren Zeiten die Wellen für die Transmissonsriemen montiert waren, die zu Müller´s Zeiten vom Mühlrad im Keller angetrieben wurden. Aber die waren längst entfernt und der Anbau vom Boden bis zur Dachspitze: leer.
Wie gut, dass Adu´s Vater Maurermeister war und uns kostenlos die Konstruktion und Bewehrung einer Stahlbetontreppe berechnen konnte (die vom Bauamt auch akzeptiert wurde). Und – mindestens genauso gut – war, dass mittlerweile Felice zu uns gestoßen war, ein sizilianischer Arbeitsemigrant und gelernter Maurer, der die Umsetzung des Vorhabens in die Hand nahm.
Stockwerk für Stockwerk wurden die Treppenläufe abgestützt, eingeschalt, Eisen eingebracht und betoniert. Alles geschah im Handbetrieb mit dem Betonmischer, von dem aus der Beton Eimer für Eimer über einen Seilzug hochgezogen werden musste. Welch großartige Leistung das war, kann man vielleicht ermessen, wenn man weiß, dass neben den Podesten 107 Stufen betoniert werden mussten, um bis zum Dachgeschoss der Mühle zu gelangen.
Die erste Nutzung: Gegenbuchmesse 1981
Ganz zum Schluss halfen uns die Genossen von der Handwerkergenossenschaft Mannheim bei der Herstellung und Montage des Treppengeländers und wurden damit punktgenau fertig – am Abend vor der Eröffnung der Gegenbuchmesse. Das war großartig: wir hatten nun in der Krebsmühle 5 Stockwerke mit je 160 qm Nutzfläche fexibel nutzbar gemacht für solche Veranstaltungen – das gab es nirgendwo in der ‚Szene‘. Schlagartig zeigte sich für alle Spötter und Unkenrufer, wie nützlich ein Großprojekt wie die Krebsmühle sein kann.
Seminarbetrieb
Leider gibt es aber nur wenige Großveranstaltungen wie die Gegenbuchmesse. Die hatten wir 1982 noch einmal zu Gast und dazwischen eine ‚Gesundheitsmesse‘ für Bioprodukte. Auch die Projektemessen 1983 und 1984 und die Treffen zur Verbandsgründung der hessischen selbstverwalteten Betriebe brachten keine Dauernutzung.
Die einzige – halbwegs ökonomische – Nutzung der Räume war der Seminarbetrieb, den wir auf zwei Stockwerken einrichteten, mit jeweils Platz für 25-30 Personen. Es gab dazu jeweils einen großen Tagungsraum mit Teeküche, einen gemeinschaftlichen Waschraum und ein Matratzenlager – sicher nicht das, was man sich heute unter einem Seminarhaus vorstellt, aber in den damaligen ‚alternativen‘ Zeiten durchaus gerne angenommen:
Diese Akzeptanz hatte natürlich auch mit den niedrigen Preisen zu tun, die wir dafür verlangten.
Die Übernachtung pro Person kostete für Selbstversorger 10,- DM (in der Heizperiode 12,- DM), mit Vollverpflegung (Frühstück, Mittagessen, Kaffee/Kuchen und Abendessen) 28,- DM. Das anregende ASH-Ambiente mit den Kontakten zu uns Selbstverwaltern gab es gratis dazu. Hier unser damals gültiges Anmeldeformular.
Der Seminarbetrieb war nützlich für den Aufbau unserer Gastronomie, ansonsten für den Bekanntheitsgrad der Krebsmühle und unseren immerwährenden Kampf für den Selbstverwaltungsgedanken – aber langfristig ungeeignet, einen wesentlichen Beitrag zu unserer Ökonomie zu leisten. Wir waren deshalb froh darüber, dass ab 1987 Publik-Forum einzog und erstmals echte Mieteinnahmen flossen.
Axt + Kelle – die zweite Glanztat
Furchtbar hatte er ursprünglich ausgesehen, der Eingang zu unserem Café. Der Gedanke, daran etwas zu ändern, kam von Rolf, dem Zimmermann. Irgendwann beim Klönen abends meinte er, er hätte da eine Idee …
Und aus dieser Idee entstand eine handwerklich meisterhaft ausgeführte Lösung für die Eingangssituation, die noch heute das Bild der Krebsmühle mit prägt. Es war faszinierend. Zunächst wurden recycelte Balken in den verschiedensten Formen, Längen und Winkeln behauen, zur Seite gelegt und schließlich an einem einzigen Tag zusammengesteckt und verdübelt. Alles passte wie angegossen! Dabei gab es keine ausgefeilten Pläne, nur ein paar Notizen in seinem kleinen schwarzen Notizblock. Wie kann man alle diese unterschiedlichen Schrägen und Längen aus dem Kopf heraus erarbeiten? Große Handwerkskunst!
Die Dachbedeckung erfolgt mit Holzschindeln, die einzeln bearbeitet werden mussten. Dabei war die ganze anwesende Axt+Kelle-Truppe am Werk.
Die verfügbaren Bilder von diesem Umbauschritt sind von schlechter Qualität, können aber vielleicht doch deutlich machen, was hier geschah: